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Raketen selbstgebastelt (2015)

Styropor, Papier, Acryl, ca. 50 x 120 cm

Die Vergangenheit des Zukünftigen

Zwei, drei Worte zur aktuellen Arbeit von René Trinks

 

Die Sehnsüchte der Kindheit gehören zu den wirkmächtigsten Kräften, die unsere Realität bestimmen und darüber hinaus Antrieb für so vieles sind, das wir in Zukunft erreichen wollen. Dabei ist diese vorwärtsgerichtete Zielstrebigkeit eigentlich eine Reise in die Vergangenheit zu den nicht erfüllten Kinderträumen.

Darauf zielt auch Orson Welles in seinem Film „Citizen Kane“ von 1941. Sterbend haucht der alte vereinsamte Medienmogul Kane das Wort „Rosebud“. Erst am Ende des Films, der seine Biografie erzählt, erfährt der Zuschauer, dass dieser Name auf dem in frühester Kindheit geliebten Schlitten zu lesen war.

Die „Rosenknospe“ als zartes Versprechen wird zum Symbol dafür, dass er nie erfahren sollte, wie sein Leben wirklich hätte erblühen können, trotz allen wirtschaftlichen Erfolgs.

René Trinks lässt solche Erinnerungen aus der Kindheit in seinen Arbeiten wirklich werden. Er trägt eine Modellautosammlung zusammen, die er so vielleicht in Kindertagen nicht besessen hat. Ein Wandregal aus glasklarem Kunststoff erscheint als unerreichbares Luftschloss zu hoch aufgehängt. Es ist so unkörperlich wie die Erinnerung und wirkt trotzdem in jede Faser unseres Körpers.

 

In seiner neuen Arbeit greift Trinks ein Motiv aus einem Buch auf, das sich spielerisch dem Thema Raumfahrt widmet und versucht, Kinder auf einfachste Art durch Spielanleitungen den Traum vom Kosmonauten leben zu lassen.

Die Illustrationen des Buches wirken schnell skizziert und motivierend. Die Begeisterung der Knaben in ihrem Forscherdrang vermittelt sich gerade auch über die Flüchtigkeit der grafischen Linien, mit denen sie erfasst ist. Trinks hat sich entschieden, eines dieser Motive aus seiner schlichten Zweidimensionalität zu befreien und als Körper wirklich werden zu lassen.

Er baut die Figur eines Jungen in der natürlichen Größe seines Alters nach, der gerade eine Raketenabschuss-station spannt. Die Farben übernimmt der Künstler von der Palette des Umschlags. In der plastischen Form und der Farbgebung bleibt die Figur dem grafischen Vorbild verpflichtet und bleibt so auf halbem Weg zu seiner Menschwerdung stehen. Das ist bei dem Spielzeug, das er in Händen hält in gewisser Weise anders.

Es entspricht genau der Bastelanleitung aus dem Buch. Mehr noch, es ist nicht nur abbildende Plastik der Apparatur, es kann auch tatsächlich in der von den Buchautoren vorgesehenen Weise als Spielzeug verwendet werden. In konsequenter Fortführung dieser Entscheidung bietet René Trinks deshalb Rakete und Abschussvorrichtung auch als Multiple an, durch dessen Erwerb und Verwendung wir – vielleicht oder vielleicht auch nicht – einen Kindheitstraum mit der Figur teilen können.

 

Holger Birkholz 2015

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